Grounded Theory einfach erklärt – Auswertung & Methodologie
Die Grounded Theory hat das Ziel, mittels Analyse von Interviews, Beobachtungen und anderen empirischen Daten eine neue Theorie zu formulieren.
Dabei wechseln sich Datensammlung und Auswertung so lange gegenseitig ab, bis neue Auswertungen keine neuen Kenntnisse mehr erbringen.
Es entsteht ein theoretisches Modell, das das Forschungsthema vollständig erfasst.
Diese Forschungsmethode wurde von Anselm Strauss und Barney Glaser begründet.
Unser Grounded Theory Beispiel einfach erklärt
Damit du die Analyse mit der Grounded Theory Methodologie besser verstehst, stellen wir ein vereinfachtes Beispiel vor.
Das Thema lautet: Schmerzen nach einem Beinbruch
Nach der Analyse mit der Grounded Theory sieht das Endergebnis – das theoretische Modell – so aus:
Du erfährst nun genau, wie man mit der Grounded Theory auswerten muss, um solch ein theoretisches Modell zu erhalten.
Theoretische Vorannahmen
Welche Vorannahmen hast du zu dem Thema Schmerzen beim Beinbruch? Was findest du dazu in der Literatur?
Du schreibst dir die theoretischen Vorannahmen auf. Sie dienen als Grundlage für die Datensammlung und Auswertung.
Datensammlung
Welche Daten kannst du sammeln, um das Thema Schmerzen beim Beinbruch zu erforschen?
Du brauchst so viele Informationen wie möglich, damit die Forschung keine Lücken hat. Das nennt man bei der Grounded Theory übrigens theoretische Sättigung.
Grounded Theory Kodieren
Das Interviewmaterial wird transkribiert und zuerst offen, dann axial und schließlich selektiv kodiert.
Offenes Kodieren
Du vergibst Wörtern oder Textabschnitten im Interviewtranskript erste Codes und hältst dich dabei an folgende Fragen:
- Was ist das Phänomen – Worum geht es?
- Wer ist beteiligt? Welche Rolle nehmen die Beteiligten ein und wie interagieren sie?
- Wann tritt es auf? Wie lange dauert es? Wo findet es statt?
- Wieviel? Wie stark?
- Warum tritt das Phänomen auf?
- Wozu dient es?
- Womit lässt es sich ändern?
Es können nicht immer alle Fragen anhand eines kurzen Textabschnitts beantwortet werden. Sie dienen als Leitfaden.
Die Codes hältst du einfach direkt neben den Textabschnitten fest. Die Fragen und Antworten dazu notierst du dir. Bei der Grounded Theory nennt man diese Notiz Memo.
Textabschnitt | Fragen & Antworten | Offene Codes |
---|---|---|
“Das Bein schmerzt sehr, seit ich es mir beim Skifahren gebrochen habe.” |
|
Starke Schmerzen
Skifahren Beinbruch |
“Das Bein, das ich mir beim Fensterputzen verletzt habe, schmerzt kaum, obwohl es gebrochen ist.” |
|
Schwache Schmerzen
Fenster putzen Beinbruch |
Es wird dir zu Beginn auffallen, dass du eine Fülle an Codes erhältst und du viele Informationen in den Memos vermerkst.
Die Codes lassen sich jedoch in einzelne Konzepte zusammenfassen.
Codes | Starke Schmerzen
Schwache Schmerzen |
---|---|
Konzept | Schmerzwahrnehmung |
Axiales Kodieren
Mithilfe des axialen Kodierens werden aus Konzepten erste Achsenkategorien indem Beziehungen zwischen deren Eigenschaften hergestellt werden.
Du kannst dir dies wie ein Netzwerk von Kategorien vorstellen, die durch folgendes Kodierparadigma miteinander verknüpft werden können: Im Zentrum steht das Phänomen, also das Forschungsanliegen bzw. die Kategorie. Das Phänomen ist aus einer ursächlichen Bedingung entstanden und Teil eines Kontextes.
Es wird immer von Handlungen und interaktionalen Strategien begleitet. Diese haben Konsequenzen.
Selektives Kodieren
Die Achsenkategorien als wesentliche Aspekte der Theorie werden durch selektives Kodieren so verknüpft, dass eine Kernkategorie entsteht.
Dabei kann es vorkommen, das eine Achsenkategorie bereits viele Beziehungen zu anderen Kategorien aufweist und sich somit als Kernkategorie eignet.
Andernfalls sollte man sich das gesamte Netzwerk aus Achsenkategorien als Geschichte vorstellen und sich fragen:
Was steht im Mittelpunkt der Geschichte?
Nach dem selektiven Kodieren erhalten wir unser finales Theorie-Modell, das zu Beginn bereits angeführt wurde.
Ergebnisdarstellung
Die Auswertung führt zu einem Theoriemodell. Am besten ist es, eine Abbildung zu erstellen, die das Netzwerk der Kategorien und deren Beziehungen darstellt.
Anhand dessen kann das Modell beschrieben werden. Auch können einzelne Interviewtextstellen exemplarisch für Kategorien zitiert werden.
Grundkonzepte der Grounded Theory
Nachdem du nun weißt, wie man mit der Grounded Theory auswertet, erklären wir dir jetzt noch die wichtigsten Grundkonzepte.
Theoretisches Sampling
Theoretisches Sampling (Auswahl) bedeutet einfach, dass du dich bei der Datensammlung an deinen bisherigen Auswertungsergebnissen orientierst.
Denn auf Basis der Analyse wird im Forschungsprozess ständig überlegt, welche Daten noch erforderlich sind, um die Forschungsfrage zu beantworten.
Hier sind vergleichende Analysen (komparative Analysen) besonders wichtig. Das bedeutet, dass auch Daten gesammelt werden, die Unterschiede zu den bisherigen Ergebnissen erfassen.
Dabei kann für die Analyse mit der Grounded Theory jede Form von Daten verwendet werden (Interviewtranskripte, Beobachtungsprotokolle usw.).
Codes, Kategorien, Memos
Das Datenmaterial wird zu Beginn Wort für Wort und Zeile für Zeile analysiert. Wörtern oder Phrasen werden erste Codes zugeordnet. So kann bereits ein wichtiges Wort ein Code sein.
Aus der Beziehung zwischen den Codes entstehen Kategorien.
Methodische Überlegungen und Analyseschritte werden mithilfe von Memos festgehalten. Memos sind schlicht Notizen, die du dir zu jedem Auswertungsschritt schreibst.
Theoretische Sättigung
Aufgrund der vergleichenden Analyse entsteht ein Netzwerk aus Kategorien, das man sich wie ein Spinnennetz vorstellen kann.
Je dichter dieses Netz ist, desto mehr Insekten haften am Spinnennetz. Je dichter also das Netzwerk an Kategorien, desto dichter die Theorie.
Gratulation – du hast ein neues theoretisches Modell mit der Grounded Theory Methodologie erarbeitet!
Häufig gestellte Fragen
- Was ist Grounded Theory?
-
Die Grounded Theory hat das Ziel, mittels Analyse von Interviews, Beobachtungen und anderen empirischen Daten eine neue Theorie zu formulieren.
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